Immer wieder erlebe ich es, dass bei langjährigen Ehepaaren beide Ehepartner innerhalb weniger Monate sterben. Manchmal sind es sogar nur Wochen oder Tage. Dann kommt es schon einmal vor, dass die Trauerfeier für beide zusammen stattfindet.
Hinterhersterben ist gar nicht so selten
Mindestens einmal im Jahr erlebe ich dieses Phänomen. Einer stirbt, ich begleite die Trauerfeier. Wenige Wochen oder einige Monate später kommt ein Anruf: jetzt ist Herr X, Frau Z auch noch gestorben, können Sie wieder die Trauerfeier übernehmen.
In der Trauerfeier, aus der das Bild stammt, ging es der Witwe nach dem Tod ihres Mannes gesundheitlich nicht so gut, man wartete mit der Trauerfeier auf den Zeitpunkt, da es ihr wieder besser gehen würde. Sie sollte dabei sein können, wenn ihr Mann bestattet wird. Statt wieder auf die Beine zu kommen, ist sie hinterhergestorben. Jetzt war sie bei der Beisetzung dabei, nur ganz anders als gedacht.
Die Tür war noch einen Spalt offen
Fast scheint es so, als sei die Tür, die auf die andere Seite führt, noch einen Spalt offen gewesen. Gerade wenn ältere Paare quasi ihr ganzes Leben miteinander verbracht haben, ist eine solch tiefe Verbindung entstanden, dass das Leben ohne den anderen gar nicht mehr vorstellbar ist.
Die beiden werden zu einer solchen Einheit, dass es sich wohl so anfühlt, als sei nicht eine andere Person, sondern ein Teil der Einheit gestorben. Der zurückbleibende Teil ist alleine nicht lebensfähig. Solange die Tür noch nicht gänzlich wieder geschlossen ist, huscht der zurückgebliebene Partner durch den Spalt ins Jenseits.
Der Dichter kennt die Sehnsucht
Von Reiner Kunze stammt ein wunderbares Gedicht, eine Liebeserklärung angesichts des Todes.
Bittgedanke, dir zu füssen
(in: eines jeden einziges leben, 64)
Stirb früher als ich, um ein weniges
früher
Damit nicht du
den weg zum haus
allein zurückgehen musst
Reiner Kunze
„Stirb früher!“ Das ist hier aus Liebe gesagt. Denn wer zuerst geht, bleibt nicht allein und einsam zurück. Wer zuerst stirbt, muss den Weg vom Friedhof nach Hause nicht alleine zurückgehen, und sitzt nicht alleine in der Wohnung, die vorher das gemeinsame Zuhause war.
„Stirb um ein weniges früher!“ Manchmal folgt der eine dem anderen nach, dass keiner den Weg alleine nach Hause zurückgehen muss.
Bildrechte: Birgit Aurelia Janetzky
Diesen Artikel habe ich 2014 auf meinem Blog der Fachberatung Trauerfeier veröffentlicht und in diesen neuen Blog übernommen.
Leider habe ich durch oben beschriebenes Phänomen meine beiden Eltern kurz hintereinander verloren. Mein Vater verstarb allein in der gemeinsamen Wohnung am 02.10.2020. Meine Mutter war zu der Zeit im Krankenhaus. Als sie vom Tod ihres Mannes / meines Vaters erfuhr, wollte sie es lange Zeit nicht wahrhaben. Sie wurde dann aus dem Krankenhaus entlassen und verstarb jetzt erst am 04.01.2021, also kurz nach Neujahr, weil sie keinen Lebenswillen mehr hatte. Ich versuchte mein Bestes und war nach der Krankenhausentlassung Tag und Nacht für sie daheim da. Nur sie wollte dann nicht mehr und fing an zu hungern. Sie verweigerte jede Nahrungsaufnahme. Ich war dagegen machtlos. Sie wurde immer schwächer und bettlägerig. Die Ärzte konnten mir nicht helfen. Als ich abends am 04.01.2021 kurz das Schlafzimmer verließ und in der Küche einen Moment das Geschirr abstellte, verstarb sie. Als ich zu ihr zurückkam, bemerkte ich, dass sie regungslos auf dem Rücken lag. Die Augenlider waren nahezu geschlossen. Sie hatte einen entspannten Gesichtsausdruck. Es sah fast so aus, als wenn sie schlafen würde. Der Kopf war etwas zur Seite geneigt. Nur sah ich, dass in ihren leicht geöffneten Augenlidern die Pupillen gegen die Decke starr blickten. Der gerufene Notarzt konnte mir nicht mehr helfen. So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Ich hätte nie damit gerechnet, dass meine Mutter sich selbst aufgibt. Sie hatte immer an ihrem Leben festgehalten. Der einzige Trost, der mir als Tochter bleibt, dass sie nach 60 Jahren Ehe ihren Mann / meinen Vater immer noch geliebt hat und bei ihm sein wollte.
Danke, dass Sie hier Ihre Erfahrungen beschreiben. Gerade Ehepaare, die so lange das Leben miteinander geteilt haben, sind innerlich so miteinander verbunden, dass sie einer nicht vorstellen kann, ohne den anderen zu leben. Für die Angehörigen bedeutet es, dass sie in kurzer Zeit zweimal Abschied nehmen müssen. So wie es auch bei Ihnen ist. Ich wünsche Ihnen viel Kraft und Verständnis für Ihre Eltern, die wieder zusammen sind. Auch wenn wir das letztlich nicht wissen, diese Bilder und Vorstellungen sind hilfreich für uns selbst. Die Liebe geht über den Tod hinaus.
vielleicht wünschen es sich viele leute auch einfach, bei manchen erfüllt sich halt der wunsch, ich bitte seit fast 5 monaten darum den nächsten tag nicht erleben zu müssen und hatte meine traumfrau nicht einmal 2 jahre, ich weiß nicht wieso sie mich nicht holt, das werde ich wohl erst erfahren wenn es soweit ist, ich weiß aber das sie immer noch da ist oder war, es gab zu viele und zu eindeutige zeichen dafür, ich habe sogar schon meine eigene beerdigungsmusik geschrieben die dann gespielt werden soll. und zu zeichen und todessehnsucht: ich habe vorher nicht an so etwas geglaubt.
Hallo Ulf. Ich habe am 1. Nov. 2020 ebenfalls meinen Seelenverwandten unerwartet verloren. Wien 5 Jahre zusammen aber nur 3 Monate zusammen. Die ersten Wochen wollte ich ebenfalls meinem Lieblingsmenschen folgen. Nur wieder mit ihn zusammen sein. Was mir etwas hilft diese dunklen Gedanken zur Seite zu schieben, ist die Tatsache, dass mein Mann kein Stück des Lebens verlieren wollte. Er hat mir mehr geliebt als sich selbst. Er wollte immer nur das Beste für mich. Er würde nicht wollen, dass ich mein Leben so beende. Und auch wenn mein Leben ohne ihn so viel weniger Sinn macht zur Zeit für mich, so würde er mich unheimlich ausmeckern und traurig sein, dass ich diese Gedanken hatte.
Bei mir ist es ähnlich so mit meiner Mutter; ich hatte ein sehr enges Verhältnis zu ihr.
Als sie starb , wollte ich dann auch am liebsten zeitnah sterben.
Aber ich sagte mir : mein Leben muss irgendwie weitergehen , auch ohne meine liebe Mutter.