Es gibt kaum einen Trauerredner, auf den die aktuelle Situation keinen Einfluss hätte. Die Aufträge bleiben aus. Wenn Trauerfeiern stattfinden, dann im Freien mit wenigen Leuten. Was macht das mit uns Trauerrednern? Wie bleiben wir in der Krise handlungsfähig?


1. Hoffen, dass die Corona-Krise bald vorüber ist?

Gehören Sie zu den Menschen, die denken, dass wir einfach ein paar Monate durchstehen müssen, bis die Corona-Auflagen zurückgenommen werden und die Trauerfeiern wieder wie gewohnt stattfinden. Also Augen zu und durch, die Zeit nutzen, um die Steuererklärung in diesem Jahr etwas früher abzugeben oder die Wohnung neu streichen. Dann wird es sich wieder normalisiert haben und wir machen weiter, wo wir Mitte März aufgehört haben…

Das ist unwahrscheinlich, denn in der aktuellen Situation entwickeln sich im Bereich der Bestattungen gerade neue Angebote, Umgangsweisen und Routinen. Mancher Bestatter entdeckt gerade, dass er ein paar kurze Sätze am Grab auch selbst sprechen kann. Warum eine lange Rede für die zehn Leute, die sich um das Grab versammeln. Wer für die kurze Rede dankbare Reaktionen bekommt, wird sich vielleicht auch an die längere Rede wagen.

Wenn die Einnahmen wegbrechen, kann man natürlich Erdbeeren pflücken und Spargel stechen, um die Auftragsflaute zu überbrücken. Weil die Erntehelfer aus Osteuropa fehlen, sucht die Landwirtschaft händeringend nach Saisonkräften. Acht Stunden am Tag mal fünf Tage mal 9,35 € Mindestlohn sind immerhin 374 € in der Woche. Nur sind acht Stunden auf dem Feld etwas anderes als acht Stunden am Schreibtisch und auf dem Friedhof. Wenn die eine Trauerfeier kommt, die mit sechs Stunden Arbeit 374 € auf das eigene Konto befördert, müsste ich die dann absagen. In diese Richtung werden momentan viele Berechnungen gehen.

Oder überbrücken Sie die Flaute mit Soforthilfen, Anträgen auf Grundsicherung und Erspartem? Muss der Staat nicht dafür sorgen, dass meine Verdienstausfälle ausgeglichen werden? Schließlich müssen die Politiker diesen Shutdown in Wirtschaft und Gesellschaft verantworten. Wer darauf wartet, dass Papa Staat und Mama Merkel einen füttern, muss feststellen, dass es gerade viele aufgesperrte Schnäbel gibt. Ich möchte nicht falsch verstanden werden. Es ist gut, dass es die Soforthilfen, die vereinfachten Verfahren zur Beantragung der Grundsicherung und Kredite gibt. Doch wir sollten die Zeit nutzen und unsere Intuition, Kreativität und Professionalität einsetzen, um „Out of the Box“ zu denken.

2. Sich neu ausrichten

Nach der Krise wird definitiv anders sein als vor der Krise. Corona wird bisher vertraute Systeme verändern. Wohin die Reise gerade geht, kann niemand genau sagen.

Gesellschaftlich wird gerade sichtbar, dass in den Arbeitsbereichen, die in der Krise am dringendsten benötigt werden, schlechter bezahlt und die Menschen schlechter behandelt werden als in den Arbeitsbereichen, deren Ziel das Wirtschaftswachstum ist. Je mehr die Arbeit anderen zugutekommt – den Kranken, den Kindern, den Alten, der Bildung – umso wahrscheinlicher ist es, dass die Menschen schlecht bezahlt werden. Was wir gerade erleben: Alle Tätigkeiten, die in dieser Krise wirklich wichtig werden, haben etwas mit den Grundbedürfnissen der Menschen zu tun: Essen, Trinken, Gesundheit auf der körperlichen Ebene. Das Bedürfnis nach Kompetenz und Wirksamkeit, nach Autonomie und Selbstbestimmung, nach sozialer Zugehörigkeit auf der psychologischen Ebene.

Zu den Caring-Jobs zähle ich auch uns Trauerredner. Der Wert einer guten Begleitung beim Abschiednehmen ist nicht hoch angesehen. Nicht einmal bei vielen Bestattern, die es eigentlich besser wissen könnten. Vielleicht ist es gerade jetzt an der Zeit, die eingefahrenen Routinen und ungeschriebenen Regeln in der Bestattungsbranche in Frage zu stellen und die eigene Arbeit radikal neu zu denken.

3. Digitalisierung im Eilverfahren

Das Leben „nach Corona“ wird digitaler sein. Menschen, die noch nie online ein Gespräch geführt oder ein Webinar besucht haben, wird es bald nicht mehr geben. Wer sich Großeltern und Enkel nicht mehr treffen können, dann freuen sich auch die älteren Leute, wenn die ganze Familie über Zoom zusammenkommt. Lieferengpässe gibt es gerade nicht nur bei Toilettenpapier und Nudeln, sondern auch bei Webcams und externen Mikrofonen.

Die Vorteile digitaler Technik kommen gerade voll zum Zuge. Bisherige Skeptiker erleben gerade wie segensreich Video, Lifestreaming und Infoseiten im Internet sind. Das bedeutet, dass auch unsere potentiellen Kunden sich gerade in Onlinerecherchen und Onlinekontakten schulen. Was liegt näher, als selbst das eigene Angebot digital neu zu denken.

Es spricht viel dafür, dass ein Teil des momentanen digitalen Booms wieder abflauen wird, wenn die Trauerhallen wieder benutzt werden dürfen, Familie und Freunde sich wieder dort versammeln und Trauernde sich wieder umarmen können. Manche werden so tun, als würden wir aus einem bösen Traum erwachen und wieder zurück ins „normale“ Leben gehen. Nur wird in der Zwischenzeit das „normale Leben“ zum „früheren Leben“ werden. Die Veränderungen lassen sich nicht zurückdrehen.

4. Wer will ich nach der Krise sein?

Der Zukunftsforscher Matthias Horx hat einen Denkansatz vorgestellt, sich dieser unbekannten Zukunft auf neue Weise zu nähern. Die Krise ist mit altbewährten Mitteln nicht zu meistern, sie ist nicht ohne Verluste auszusitzen. Aus Entwicklungsprozessen in Unternehmen stammt der Ansatz, bei den Zukunftsvisionen nicht von den aktuellen Beständen auszugehen. Also nicht vom jetzigen Zeitpunkt in die Zukunft schauen, sondern sich innerlich an einen zukünftigen Zeitpunkt zu begeben, um von von dort aus zurück ins Heute zu schauen.

Was ist der Unterschied? Die inneren kritischen Stimmen verlieren an Macht. Der eigene innere Wandel, der jetzt noch gar nicht in Worte zu fassen ist, wird in das Bild der eigenen Person, der eigenen Arbeit, des eigenen Unternehmens miteinbezogen, weil er automatisch schon mitgedacht wird. Die Veränderungen sind dann nicht Reaktionen aus der Angst oder dem Gefühl des Mangels heraus, weil einem gerade die Felle wegschwimmen. Die Entscheidungen werden bewusst getroffen, weil sie Schritte auf dem Weg sind, das positiv besetzte Zukunftsbild zu erreichen.


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