Fragt man Eltern, was das Schlimmste sei, was ihnen im Leben passieren könnte, werden die meisten spontan antworten: wenn mein Kind stirbt. Niemand mag sich eine solche Situation vorstellen. Dennoch gibt es immer wieder Eltern, die genau das erleben und durchleben müssen. Kinder sterben an Krankheiten oder bei Unfällen, machmal nehmen sie sich im Jugendalter selbst das Leben.


Wie verarbeitet man den Tod eines Kindes?

Vielleicht ist schon die Frage nicht ganz richtig. Man durchlebt eine solche Zeit – allein, mit dem Partner, mit der Familie und den Freunden. In ihrem Buch Begreifen was nicht ist zeichnet Daniela Berg ihren Weg des Abschieds nach, beginnend mit dem Tod ihrer Tochter: „Marlene ist gestern Abend gestorben“. Im Vorwort nur ein paar kurze Anmerkungen über die Diagnose Krebs und den Zeitraum von fünfeinhalb Monaten, die blieben.

Welche Rolle die Erinnerungen spielen wenn ein Kind stirbt

Das Schreiben wird für sie zu einem wichtigen Halt in der Trauer. Sie schreibt für sich, Gedanken und Gedichte. Sie schreibt anderen per E-Mail und bleibt so im Gespräch über alles, was sie in den Monaten nach dem Tod von Marlene erlebt. Jedem Einzelnen zu schreiben, auf die vielen Anfragen von Freunden und Bekannten zu antworten, das ist in dieser Zeit zu viel. So wählt sie den Weg per E-Mail. Dankbar für die Nachfrage der anderen, ohne einzeln im Kontakt sein zu müssen. Das Netz der Menschen, die Anteil nehmen trägt.

Dass aus dieser Koresspondenz fünf Jahre später ein Buch werden wird, ist noch in weiter Ferne. In ihren E-Mails spielen immer wieder die Erinnerungen eine Rolle: an den letzten Tag im Leben ihrer Tochter, die Trauerfeier und die Beerdigung, die unterschiedliche Art und Weise in ihrer Familie, mit Marlenes Krankheit umzugehen, die Gedenkfeier der Schulklasse, die Besuche am Grab. Marlene ist nicht mehr am Leben. Immer wieder nähert sie sich aus allen Richtungen dieser Wahrheit. Viele Erinnerungen münden in die wiederkehrende Frage, wie man begreifen kann, was nicht ist?

Wo du hingehst verliert alle Zeit ihr Maß

Regelmäßig streut Daniela Berg eigene Gedichte und kurze Texte von Dichtern und Schriftstellern in ihre E-Mails und Briefe ein. Es sind verdichtete Worte, voller vieldeutiger Bilder, die helfen können, „… die unausweichliche Trauer, zu ertragen und allmählich in etwas Gutes zu verwandeln.“ (Peter Pohl; Kinna Gieth). Die Trauer hält sich nicht an die Vorstellungen, wann und in welcher Gestalt sie da sein darf.

Es wird deutlich: es geht darum, offen zu sein für die Wege, die sie mit den Trauernden geht. Das ist eine ungewohnte Sichtweise: sich von der Trauer an die Hand nehmen zu lassen für den noch verborgenen Weg. Wie das Sterben eines Menschen kann man den Verlauf der Trauer nicht planen. Daniela Berg hat ihre Trauer in etwas Gutes verwandelt.

Bei aller Traurigkeit ist es ein hoffnungsvolles Buch. Der sehr persönlich beschriebene Weg in der Trauer lässt auch die schmerzhaften und verwirrenden Momente nicht aus. Es ist dieses Ringen, das ihren Weg so nachvollziehbar macht. Für alle, die die Angst kennen, dass ein Kind stirbt oder die eine ähnliche Situation zu bewältigen haben, hat es die Botschaft: auch das kann man überleben. Mit Mut, mit Hoffnung, mit Liebe und Verbundenheit.

Wer das Buch geschrieben hat

Daniela Berg, Jahrgang 1972, studierte evangelische Theologie. Sie arbeitet in eigener Praxis als Freie Theologin und Trauerrednerin sowie als Supervisorin, u.a. für ehrenamtliche Hospizmitarbeiter. Für den Hospizdienst Potsdam leitete sie eine Trauergruppe für verwaiste Eltern.

Die Webseite zum Buch: Begreifen, was nicht ist

Daniela Berg: Begreifen, was nicht ist

Paperback: 160 Seiten
Verlag: winterwork; 1. Edition (5. Januar 2018)
ISBN-10: 3960144059
ISBN-13: 978-3960144052
Preis: 8,90 €

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