Kirchen sind sakrale Räume, die Kirchengemeinde hat das Hausrecht. So weit, so gut. Steht diese Kirche aber auf einem Friedhof und ist sie der einzige trockene und beheizbare Raum für eine Beerdigung, ergibt sich ein klassisches Konfliktfeld zwischen Kirchen und Kommunen.
Inhalt
1. Die Kirche auf dem kommunalen Friedhof
Vor kurzem habe ich diese Situation erlebt: die (katholische) Kirche steht auf dem kommunalen Friedhof. Es gibt keinen anderen Feierraum auf diesem Friedhof in einem Freiburger Stadtteil.
Im Vorfeld der Trauerfeier gab es Diskussionen darüber, ob die Familie für die Trauerfeier in die Kirche darf, bis dann geklärt war, dass der Verstorbene Kirchenmitglied war. Die Familie durfte ihren Abschied in der Kirche nehmen und ich durfte in der Kirche sprechen.
Ist der Verstorbene aus der Kirche ausgetreten, hat die Kirchengemeinde Hausrecht und kann festlegen, wer in die Kirche darf und wer nicht. Wenn die Angehörigen Pech haben, stehen sie bei der Trauerfeier vor verschlossenen Türen und dürfen die Trauerfeier im Freien abhalten. Solange die Sonne scheint, mag das ja noch angehen. Winter, Kälte, Regen, Orgelspiel gewünscht? Das interessiert die Kirchenvertreter nicht, sie haben ihre Regeln.
Die Kommune sagt sinnvollerweise, es gibt ja eine Kirche auf dem Friedhof, die genutzt werden kann. Das kann angesichts eines sowieso schon klammen Etats für den kommunalen Friedhof jeder nachvollziehen. Nicht jeder kleine Friedhof braucht eine eigene Trauerhalle. Das Nachsehen hat die Trauergesellschaft.
2. Nichtkirchlich ja, aber nicht antikirchlich
Ein Artikel über die Regelung der evangelischen Kirche in Mecklenburg (Anm. Link nicht mehr erreichbar) befasst sich ebenfalls mit dieser Fragestellung. Der Ansatz ist bemerkenswert:
„Nichtkirchliche Trauerfeiern müssen heute keine politische oder atheistische Botschaft mehr haben,“
meint der Mecklenburger Kirchenrat Matthias de Boor. Da hat er Recht. Viele freie Trauerredner/innen haben Theologie studiert und waren im christlichen Glauben beheimatet. Später haben Sie sich aus Überzeugung oder notgedrungen, weil sie keine Arbeitsstelle bei der Kirche bekamen, als nichtkirchliche Redner/innen etabliert.
Die Redner/innen, die eine ausgesprochen kirchenfeindliche Einstellung haben und jedweden religiösen Bezug in der Traueransprache und Gebete ablehnen, werden ihrerseits nicht gerne in einem Kirchenraum in der Nähe eines Altars stehen. Die Ansicht des Kirchenrates, dass „inzwischen sogar viele weltliche Trauerredner Christen seien“ entspricht dagegen mehr einer Wunschvorstellung als der Realität.
3. “Es ist kompliziert”
Das Problem ist vielschichtig. Einbezogen in die Fragestellung sind Kirchenleitungen, die Leitung der örtlichen Kirchengemeinde, die kommunale Gemeinde. Von Bedeutung ist, ob der/die Verstorbene Kirchenmitglied oder ausgetreten ist. Andererseits sind vielleicht die Angehörigen gläubige Christen, der/die Verstorbene war aber atheistisch, buddhistisch, irgendwie nicht näher definiert religiös oder sonst irgendwas.
Kann man den christlichen Angehörigen die Kirche verweigern? Darf in einem Sakralbau statt des Pfarrers ein freier Redner öffentlich sprechen, selbst wenn sonst alles stimmt, also der/die Verstorbene und die Angehörigen Kirchenmitglied sind, oder behält sich die Kirche die Redehoheit vor?
4. Eine Chance für die Kirche…
Die Kirche in Mecklenburg sieht hier eine zusätzliche Chance, wenn schon nicht in der Predigt, so doch
„bei weltlichen Trauerfeiern in Kirchen bewusst die Altarkerzen
anzuzünden“ und „auf ihre Symbolik hinzuweisen, nämlich auf die
christliche Hoffnung über den Tod hinaus.“
Natürlich kann (nicht muss!) die Kirchengemeinde einzelne Bedingungen festsetzen: Kanzel, Altar und Glockengeläut bleiben tabu. Die Trauergäste werden durch die Kirchengemeinde begrüßt. Berechnet wird eine Nutzungsgebühr für Heizung und Reinigung.
All das macht wesentlich mehr Sinn als eine Kommune zum Bau einer eigenen Trauerhalle zu nötigen, selbst wenn in einem Ort nur zwei nichtkirchliche Beerdigungen pro Jahr stattfinden. Oder der Trauergemeinde eine Abschiedsfeier in einen kleinen Unterstand zuzumuten, in dem der Wind pfeift und der Regen die Worte des Redners übertönt.
Wie eine solche Regelung aussehen kann zeigt die Kirchengemeinde Grünow-Triepkendorf. Die Kirche zeigt sich offen.
5. … oder doch lieber Abgrenzung?
Gibt es in einer Stadt Alternativen zum kirchlichen Friedhof oder der Kirche auf einem Friedhof, dann mag die Abgrenzung der Kirche zu allem was nicht kirchlich ist, noch angehen. Beispielhaft sei hier die Regelung des evangelischen Friedhofs in Mönchengladbach (Anmerkung 20.12.2019: Link nicht mehr erreichbar) genannt:
„Um das Weiterbestehen des traditionsreichen Friedhofs auch in Zukunft zu sichern, ist er mittlerweile für die Glieder aller christlichen Kirchen, die in der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen (ACK) zusammen geschlossen sind, geöffnet worden. Eine konfessionelle Eingrenzung besteht damit nicht mehr. Alle Christen der näheren und weiteren Umgebung, denen der Friedhof lieb und wert ist, sind eingeladen, ihre verstorbenen Angehörigen auf unserem Friedhof zu bestatten. Das gilt auch, wenn diese aus der Kirche ausgetreten waren, der Grabnehmer oder die Grabnehmerin aber noch einer christlichen Kirche angehört. Sogenannte „freie Redner“ sind bei den Trauerfeiern in der Friedhofskapelle nicht zugelassen.“
Die Kirche in Mecklenburg setzt dagegen auf eine „missionarische Ausstrahlung einer gastfreundlichen Kirchgemeinde.“ Sie rät allen Kirchenmitgliedern bereits zu Lebzeiten eine kirchliche Beerdigung zu verfügen. Denn
„Immer öfter komme es auch vor, dass Kirchenmitglieder weltlich beerdigt werden, weil die Angehörigen es so wünschen.“
Dies entspricht wiederum mehr einem Wunsch als meiner Erfahrung der realen Gegebenheiten. Selten setzen sich Angehörige über den Wunsch eines/einer Verstorbenen hinweg. Wer im Glauben und in der Kirche beheimatet ist, für den steht eine kirchliche Bestattung außer Frage. Es ist eher so, dass manche Menschen zwar nicht aus der Kirche austreten, dennoch eine nichtkirchliche Trauerfeier wünschen. Warum das so ist? Fragen wir die Menschen.
Beitragsbild: Fotolia.com #73250300 | ArTo
Diesen Artikel habe ich 2011 auf meinem Blog der Fachberatung Trauerfeier veröffentlicht, jetzt aktualisiert und in diesen neuen Blog übernommen.
Sehr geehrte Frau Janetzky,
in unserer Kirchengemeinde haben wir wir lange Jahre über die Öffnung von Kirchen für weltliche Trauerfeiern diskutiert. Ihr Artikel hat manche Fronten aufgeweicht. Dafür vielen Dank!
Meine Frage: Dürfern wir Ihren Artikel in unserem Gemeindebrief „kreuz+quer“ veröffentlichen?
Mit freundlichen Grüßen
Christian Rudolph, Pastor
Lieber Herr Rudolph,
ich freue mich, dass meine Reflexionen in ihrer Kirchengemeinde das Gespräch bereichert haben. Gerne dürfen Sie den Beitrag in Ihrem Gemeindebrief – mit Nennung der Quelle – veröffentlichen.
Mit freundlichen Grüßen,
Birgit Aurelia Janetzky